Das hat es in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben
Zum ersten Mal stellt die künstliche Intelligenz eine Bedrohung für die menschliche Kontrolle über die Maschine dar. Die Anführer der digitalen Titanen appellieren an die Politiker, ihre Macht zu begrenzen. Und das zu Recht.
Der globale Monarch der digitalen Welt hat der analogen Welt letzte Woche ein Interview gegeben. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ widmete Google-Chef Sundar Pichai eine ganze Seite der Diskussion über die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz. Für sein Unternehmen, den Globus und die Menschheit.
Nicht zum ersten Mal, aber eindringlicher als je zuvor, forderte der Chef des derzeitigen Marktführers, sich zurückhaltend zu verhalten. „Künstliche Intelligenz ist zu wichtig, um sie nicht zu regulieren“, mutmaßte Pichai. Man könnte auch sagen: zu riskant.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit droht eine von Menschen geschaffene Technologie ihrem Schöpfer zu entkommen. Die Vorherrschaft über ihn zu erlangen. Es gab in der Vergangenheit schon gefährliche Technologien, wie die Kernenergie. Aber keine war oder ist in der Lage, dem Menschen die Vorherrschaft und Kontrolle zu entreißen, ihm die Kontrolle zu entziehen.
Ist Pichai lediglich besorgt, dass die nächste grundlegende Revolution in der digitalen Welt ihm das Monopol seines Unternehmens entreißen wird und dass Google in Konkurs geht wie Kodak oder Nokia, weil etwas völlig Neues entstanden ist? Bittet er also um Rettung vor der Bestie, die ihn verschlingen wird?
Google hat die größten Chancen
Nein. Laut einer aktuellen Studie der Investmentbank Morgan Stanley hat Google die größten Chancen, die künstliche Intelligenz zu dominieren, so wie es auch in der Suchmaschinenbranche der Fall war. Nach Ansicht der Analysten von Morgan Stanley steht Google in allen Kategorien an erster Stelle.
Mit rund drei Milliarden Verbrauchern und mehr als 2,6 Milliarden Android- und anderen Geräten hebt sich der Branchenführer von der Konkurrenz in den Kategorien Daten und Hardware ab. Google ist Weltmarktführer in einer Reihe von Bereichen, darunter YouTube, Google Maps und Gmail. Darüber hinaus verfügt Google über ein großes Partner- und Entwicklernetzwerk, auf das es dank seiner KI-Entwickler-Tools aufbauen kann.
Nur eine Seite vor dem Interview in derselben Ausgabe der „FAZ“ findet sich eine weitere Schlagzeile zum selben Thema. Sam Altman vergleicht die Gefahren der künstlichen Intelligenz mit denen eines Atomkonflikts. In den Vereinigten Staaten stellt eine Gruppe prominenter Unternehmer und Wissenschaftler die gleiche Forderung wie Pichai: „Kontrollieren Sie uns! Legen Sie uns in Fesseln! Fallen Sie auf unsere Gliedmaßen!
Sam Altman ist der CEO von Open AI, dem Unternehmen, das ChatGPT ins Leben gerufen hat. Das Programm hat ein weltweites Phänomen ausgelöst und das Thema an die Spitze der Tagesordnung gesetzt. Denn jeder kann es selbst ausprobieren und staunen, wozu dieses Programm bereits in der Lage ist.
Das Neuland ist derzeit noch nicht eingezäunt
Das hat es bisher noch nie gegeben. Die Unternehmer fordern eine Regulierung. Abgesehen davon fordern sie immer wieder, von den Fesseln der Regulierung befreit zu werden, damit sie endlich richtig loslegen können. Selbst die Erfinder des „Manhattan-Projekts“ haben keine solchen Warnungen ausgesprochen, sondern in Los Alamos diskret mit der Technologie experimentiert, die kurz darauf in Hiroshima und Nagasaki nukleare Verwüstung anrichten sollte.
Das Internet, Angela Merkels Neuland in der Realität, ist noch nicht eingezäunt, und die KI stellt den Gesetzgeber vor die nächste große Herausforderung. In Europa versuchen der Digital Markets Act (DMA) und der Digital Services Act (DSA), den digitalen Wilden Westen zu beenden, faire Märkte zu schaffen und die Verbraucher zu schützen.
Das Internet gibt es schon seit vielen Jahrzehnten, und die dominierenden Suchmaschinen, deren Algorithmen den Erfolg oder Misserfolg anderer Unternehmen bestimmen, kamen erst etwas später dazu. DMA und DSA beabsichtigen, hier anzusetzen. Das durch die KI geschaffene Neuland macht bereits rasante Fortschritte. Politik und Gesetze werden weiterhin auf analog-lineare Weise abgewickelt. Das digitale Universum dehnt sich jedoch exponentiell aus. Es gibt derzeit keine Möglichkeit, dieser Asymmetrie der Geschwindigkeiten entgegenzuwirken.
Sie warnen vor sich selbst
Das muss uns gelingen. Nicht nur die ungleiche Verteilung des Wissens ist eine Quelle der Schwierigkeit. Pichai, Altman und Elon Musk warnen alle vor ihren eigenen Handlungen, weil sie viel mehr wissen als die Politiker. Es liegt auch daran, dass die Menschen die unglückliche Eigenschaft haben, die Gefahr von etwas Großem erst dann zu erkennen, wenn es zu spät ist, um Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Das war beim Wetter der Fall und wäre bei Corona beinahe eingetreten. Bei der KI darf das auf keinen Fall passieren.
Die Maschine darf keine Macht über den Menschen erlangen. Er muss bedient werden. Ob als Automat oder als künstliche Intelligenz. Letztlich eine Kombination aus beidem. Andernfalls wird die in „Westworld“ dargestellte Dystopie zu einer massiv zerstörerischen Realität. In dem Filmklassiker von 1974 mit Yul Brynner in der Hauptrolle entwickeln Cowboy-Roboter in einem Vergnügungspark ein Eigenleben und lassen sich nicht mehr zu ihrem eigenen Vergnügen von den Besuchern erschießen, sondern ermorden die Besucher, noch bevor sie ihren Revolver gezogen haben.
Um zu verhindern, dass die Maschinen die Oberhand über die Menschen gewinnen, wie es in „Westworld“ dargestellt wird, müssen die Politiker trotz ihres mangelnden Wissens zu diesem Thema schnell handeln. Die Bitten der Schöpfer um Unterstützung werden mit Ignoranz beantwortet.
Vielleicht sollten sich Pichai und andere an einen runden Tisch setzen. Fragen Sie die Frösche, wie man in diesem Fall das Feuchtgebiet trockenlegt.
Wenn die „Frösche“ zum ersten Mal ausdrücklich darum bitten.